Nonduality

Das Einssein umarmen: Die Nondualität im klassischen Tantra verstehen

Was bedeutet das tantrische Konzept der Nondualität?

Das tantrische Konzept der Nondualität ist eine komplexe und tiefgründige Philosophie, die im Herzen der klassischen tantrischen Lehren steht. Doch was genau bedeutet das? Auf Deutsch übersetzt bedeutet der Begriff „Nondualität“ „nicht zwei“, was darauf hinweist, dass im endgültigen Bewusstseinszustand alle scheinbaren Dualitäten aufgelöst sind und sich als ein einheitliches Ganzes offenbaren. Dies bedeutet, dass, obwohl wir in unserer gewöhnlichen Wahrnehmung eine Welt der getrennten Subjekte und Objekte sehen, diese Einteilung tatsächlich eine Illusion ist – ein Produkt unseres begrenzten menschlichen Bewusstseins. 

Die tantrische Philosophie lehrt uns, dass die Wahrnehmung von Dualität – von „Ich“ und „Du“, „Innen“ und „Außen“, „Gut“ und „Böse“ – letztlich auf einer Täuschung beruht. Diese Dualitäten sind laut Tantra nichts mehr als Konstrukte unseres Denkens und unserer Sprache, die uns davon abhalten, die tiefe Einheit und Verbundenheit allen Seins zu erkennen. 

Trotz dieser scheinbaren Komplexität, oder vielleicht gerade wegen ihr, hat das tantrische Konzept der Nondualität eine tiefgründige und befreiende Botschaft: dass wir im Kern unseres Seins keine abgetrennten Wesen sind, sondern Teil eines unendlichen und zeitlosen Ganzen. Sobald wir die Grenzen unseres begrenzten dualistischen Denkens überschreiten und diese tiefe Wahrheit erkennen, können wir das Leben in all seinen Aspekten mit größerer Tiefe, Freude und Harmonie erleben.

Wie betont das tantrische Konzept der Nondualität die grundlegende Einheit in allen Aspekten des Seins?

Die tantrische Konzeption von Nondualität betont die grundlegende Einheit in allen Aspekten des Seins. Dabei strebt sie danach, die scheinbaren Gegensätze und Dualitäten, die das menschliche Bewusstsein prägen, zu überwinden. Denn laut der tantrischen Philosophie ist die Welt nicht in gut oder schlecht, angenehm oder unangenehm, Körper oder Geist und so weiter geteilt. Stattdessen ist alles eine Manifestation des Göttlichen, durchdrungen von universeller Kraft und Bewusstsein. Der Ansatz ist, dass die Dualität, die wir wahrnehmen, lediglich eine Illusion ist, die durch unseren begrenzten menschlichen Verstand erzeugt wird. 

Diese Non-Dualität ist dabei nicht nur eine abstrakte philosophische Ansicht, sondern auch eine Praxis. Tantra verwirklicht die Nondualität durch konkrete Techniken und Übungen, die die Erfahrung der Einheit in das alltägliche Leben integrieren. Eine Möglichkeit der Erweiterung des Bewusstseins von sich selbst (Atman), das dann auf den Körper (und letztendlich auch auf die äußere Realität) übertragen wird. Indem wir unseren Körper konditionieren und schulen, bereiten wir uns darauf vor, die Erfahrung der Nondualität vollständig zu integrieren und zu verkörpern. 

Zum Beispiel können bestimmte Meditationstechniken uns dazu bringen, unseren Körper und unseren Geist als Ausdruck derselben göttlichen Realität zu erleben, anstatt sie als getrennte Objekte zu betrachten. Auf diese Weise bildet der Körper eine Brücke zwischen der inneren und äußeren Welt, zwischen dem Selbst und dem Universum, und wir können wirklich beginnen, die Welt als Ausdruck unseres eigenen Wesens zu erleben.

Die Aktualisierung dieser Einheit und Verschmelzung kann zu tiefgreifenden Transformationen führen. Nicht nur auf der persönlichen Ebene, sondern auch auf kollektiver Ebene, da sie ein neues Verständnis von Verbundenheit und Mitgefühl fördert. So bildet Nondualität im Tantra eine Sichtweise, die uns dazu einlädt, das Leben in all seinen Facetten als Ausdruck der göttlichen Einheit zu sehen und zu erfahren.

Wie wird die Verschmelzung von Subjekt und Objekt im tantrischen Konzept der Nondualität erklärt?

Tantra fördert Möglichkeiten der Erfahrung, in dem Subjekt und Objekt volle Teilnehmer einer vereinheitlichten Wirklichkeit sind. Der Kern dieses Verständnisses gründet auf dem erweiterten Bewusstsein des Selbst (Atman), welches im Tantra als Ausgangspunkt für die Verschmelzung von Subjekt und Objekt liegt. 

In der Nondualität, so die tantrischen Lehren, wirken Subjekt und Objekt nicht als separate Akteure oder Entitäten, sondern kommen in einem Zustand zusammen, in dem Unterschiede und Trennungen aufgehoben sind. Das ‚ich‘ hört auf, nur das ‚ich‘ zu sein und umfasst das ‚andere‘, wobei diesem ‚anderen‘ seine Fremdheit entzogen wird. Das Bewusstsein, der Verstand, die Sinne und der physische verschmelzen zu einem Ganzen. 

Dieser Prozess wird als ‚Abstieg der Energie des nondualen Bewusstseins in das Physische‘ beschrieben. Dabei wird das anfänglich nur im Bewusstsein Erfahrene in den gesamten Körper erweitert. Das fortwährende Eintauchen in den Zustand der Nondualität kann sekundäre Effekte auf den physischen Körper haben, bedingt durch die Aktivität der spirituellen Energie (Shakti). Dies kann auch als tantrische Körperalchemie bezeichnet werden. 

So verstehen wir diese Verschmelzung von Subjekt und Objekt als eine Anleitung zu einer inneren Alchemie, die uns zu einer tieferen, erweiterten Wahrnehmung des Lebens führt. In ihr wird der Leib nicht einfach nur als Hülle oder Behälter für die Seele betrachtet, sondern als lebendiger Teil der göttlichen Existenz, der durch die Erfahrung der Nondualität erfüllt wird.

Was wir hier besprechen, ist die Essenz des Tantra: die vollkommene Verschmelzung von Innen und Außen, die Überwindung der gedachten Barrieren zwischen ‚mir‘ und ’nicht mir‘. Durch die Beleuchtung und Durchdringung dualistischer Unterscheidungen, schafft Tantra einen Weg, unseren Sinn für das Selbst zu erweitern und bietet eine direkte Erfahrung der durchdringenden, alles umfassenden Einheit des Seins.

Welche Rolle spielt die tantrische Philosophie dabei, das Bewusstsein über die Begrenzungen dualistischen Denkens hinauswachsen zu lassen?

In der tantrischen Philosophie bezieht sich die Dualität auf die Trennung von Subjekt und Objekt, von Selbst und Anderem, oder von Bewusstsein und Materie. Diese Trennung ist jedoch illusionär und resultiert aus der eingeschränkten Wahrnehmung, die wir durch unsere menschlichen Sinne und unseren Verstand haben. Dualistisches Denken führt uns dazu, die Welt und uns selbst in Teilen, Kategorien und Gegensätzen zu betrachten – gut gegen schlecht, richtig gegen falsch, und so weiter. 

Die Rolle der tantrischen Philosophie besteht darin, diesen dualistischen Illusionen entgegenzuwirken, indem sie Techniken bereitstellt, um das Bewusstsein zu erweitern und zu transformieren. Dies wird durch verschiedene meditative Praktiken, Atemübungen, Rituale und visualisierende Übungen erreicht. Diese Techniken zielen darauf ab, das Bewusstsein in einen Zustand der Nondualität zu versetzen, in dem das Subjekt-Objekt-Dualität aufgelöst wird und ein unmittelbares Erleben der Einheit mit allen Aspekten des Seins möglich ist. 

Dieses Ziel der Bewusstseinserweiterung ist von zentraler Bedeutung in der gesamten tantrischen Tradition. Durch das Streben nach Nondualität ermöglicht die tantrische Philosophie eine radikal andere Erfahrung des Selbst und der Welt, die jenseits der üblichen Begrenzungen und Dualitäten liegt, die das alltägliche Bewusstsein prägen. 

Es ist wichtig zu beachten, dass Tantra nicht nur darauf abzielt, das Bewusstsein von Dualität zu befreien, sondern auch, das Bewusstsein selbst zu transzendieren. Im tantrischen Verständnis ist das ultimative Ziel nicht nur die Erkenntnis der Einheit des Selbst mit allem Sein, sondern auch die Erfahrung dieser Einheit in der täglichen Lebenspraxis. Dadurch wird das Leben selbst zu einem Ort der spirituellen Verwirklichung und Befreiung, anstatt nur ein Bereich der Illusion und Verwirrung zu sein. 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die tantrische Philosophie eine zentrale Rolle dabei spielt, das Bewusstsein über die Begrenzungen dualistischen Denkens zu erweitern und zu transformieren. Durch ihre Techniken und Lehren ermöglicht sie den Zugang zu tieferen Ebenen der Wahrnehmung und Erfahrung, und öffnet den Weg zu einem erweiterten Verständnis von Selbst und Welt.

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