Dualität und Gewahrsein

Unsere Dualität – die Trennung von ich versus alles andere – ist eine Schöpfung des menschlichen Verstands, der sich ein wenig von den elementaren Anbindungen an die Existenz lösen konnte. Einem Wurm oder einer Bakterie stellt sich diese Frage nach dem Getrenntsein sicher nicht.

Vielleicht kennen intelligente Tiere (Primaten, Raben, Elefanten, …) auch dieses Phänomen, weil sie ebenfalls so etwas wie Verstand besitzen? Aber vielleicht fehlt ihnen ja auch noch das begriffliche Denken, um in den Abgrund der Dualität schauen zu können?

Aber zurück zum Menschen. Das Empfinden des Getrenntseins (Dualität) scheint eng, sehr eng, mit dem Verstand und dem begrifflichen Denken zusammenzuhängen – begriffliches Denken und die menschliche Sprache, sind quasi manifestierte Dualität!

Wie ließe sich diese gefühlte Trennung aufheben? Diese Trennung, die manche wahrscheinlich sogar als einen Makel der Existenz empfinden.

Doch ist diese Trennung tatsächlich real? Ist es nicht eher so, bildlich gesprochen, dass die Brille der Einheitsschau, die manche überall und mehr oder weniger verzweifelt suchen, gar nicht weg ist, sondern nach oben geklappt auf unserem Kopf sitzt?

Es wäre doch ganz leicht, die Brille einfach auf die Nase zu setzen und die ganzen vom Verstand erzeugten Illusionen als solche zu erkennen.
Klingt doch machbar, oder?

Aber wer sich vom Verstand, vom begrifflichen Denken beherrschen lässt, der wird diesen Schritt nicht schaffen. Denn alle Prägungen, Einbildungen, Illusionen, Abneigungen und Vorlieben stehen diesem „Vorhaben“ entgegen.

Der eigentlich notwendige Schritt, diese Dualität zu „durchschauen“,, ist das Ego einen spirituellen Tod sterben zu lassen. Aber dieses Ziel mit „Absicht“ (also einer Projektion) zu verfolgen, wäre schon wieder vom Ego getriggert und vom Vornherein zum Scheitern verurteilt, da „Absicht“ das Lebenselixier des Egos ist.

Die Kunst besteht also darin, absichtslos in einen Zustand zu gelangen, in dem der Verstand zurücktritt, das Ego momentan verschwindet (stirbt) und Wahrnehmungen nicht mehr nach möglichen Bedeutungen oder Mustern sortiert werden.

Die gute Nachricht lautet:
Diesen Zustand gibt es!
Er nennt sich Gewahrsein.
Und noch besser, dieser Zustand lässt sich durch Meditation kultivieren.

Meditation ist wie eine Einladung an das Gewahrsein. Manchmal kommt es, manchmal nicht (jeder Meditierende kennt dieses Hin und Her). Und je weniger Wollen dabei ist, desto eher geschieht es: die „Brille der Einheitsschau“ rutscht auf die Nase.